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Konstruktion als Erinnerungsort
Alexanders Heroisierung nach der Schlacht am Granikos
Erstmalig taucht der Flussname Granikos in Homers Ilias auf. Ob es sich bei Homer um denselben Fluss handelt wie den, an dem die Schlacht stattgefunden hat, ist bisweilen umstritten. Durch die Quellen erfahren wir, dass Alexander etliche Elemente der Ilias in seinen „Abenteuern“ auf persischem Boden eingebaut hatte. Ob er dabei intentional oder unbewusst handelte, oder ob das Heldenbild gar erst eine Konstruktion der Quellen ist, bleibt unklar. Doch wie viel Mythos steckt in Alexanders Inszenierungen? Haben sie einen wahren Kern oder sind es echte Erzählungen? Nach der Schlacht am Granikos geizte Alexander nicht mit symbolischen Handlungen, Geschenken und Ehrungen. Er ließ den gefallenen Söldnern des eigenen Heeres Standbilder anfertigen und die Führer der Perser bestatten. Nach Athen sandte er Weihgeschenke für die Göttin Athene, auf denen er eine Inschrift anbringen ließ, die den Ausschluss der Lakedaimonier widerspiegelt. Diese Handlungsweise erinnert an das Verhalten des spartanischen Heerführers Pausanias nach der Schlacht von Plataiai im Jahre 479 v. Chr., wobei damals ausgerechnet die Spartaner als Sieger Weihgeschenke an verschiedene Heiligtümer Griechenlands sandten – Athen war jedoch nicht darunter. Somit ist ein Referenzrahmen zu den Perserkriegen geschaffen, die sich wiederum auf die zu jener Zeit normativen Größen der homerischen Epen stützten. Auf politischer Ebene ließ Alexander sich als Befreier Kleinasiens vom persischen Joch feiern. Unter Berücksichtigung der Absichten, mit denen Alexander nach Asien gezogen war, war das Kriegsziel des Freiheitsgedankens beinahe erreicht und er erlangte die nötige Legitimation, um den Feldzug fortzuführen.
Versetzte Alexander sich selbst in die Rolle des Helden oder wusste er, was von ihm erwartet wurde? Letztlich konnte er sich eine Niederlage gegen die Perser in der ersten Begegnung nicht erlauben. Neben psychologischen Gründen, wie etwa die durch eine Niederlage bestätigte Schwäche des Heeres, wäre ein Ruhmverlust untragbar gewesen. Durch den Gewinn der Schlacht konnte Alexander wegen seiner Heldentaten triumphieren. Aufgrund der Topographie des Schlachtortes wird die Heldenhaftigkeit hinsichtlich der überragenden Leistungen Alexanders weiter untermauert, indem dieser „unwegsame“ Fluss zwischen seinem Heer und den Persern stand, den es zu bezwingen galt. Den Quellen zufolge hat Alexander folglich eine Meisterleistung vollbracht. Deshalb steht außer Frage, dass der Makedonenkönig aufgrund der geschilderten Gegebenheiten in die Sphäre der Heroen erhoben und die Schlacht am Granikos in den Quellen als ein Ort der Erinnerung an die Attribute der Befreiung und der Tapferkeit ausgewiesen wurde.
Die Schlacht am Granikos – Eine Debatte über die Konfliktlandschaft in popkulturellen Darstellungen
Die Kampagne Alexanders von Makedonien wurde schon in mehreren Fällen Gegenstand populärkultureller Darstellungen. Sowohl in der Türkei, als auch international, wurden Filme, Bücher und Dokumentationen über Alexanders Geschichte produziert. Die Bedeutung der Schlacht am Granikos hat in diesen Darstellungen unterschiedlich viel Gewicht. Wie diese Schlacht in der historischen Überlieferung und nicht zuletzt auch in geschichtskulturellen Phänomenen der Neuzeit rezipiert wird, kann an verschiedenen Beispielen belegt werden. Ein zu beleuchtender Aspekt ist die Rezeption dieser Schlacht in der lokalen Bevölkerung des Konfliktortes im internationalen Vergleich. Für die lokale und nationale Rezeptionskultur dieser Schlacht wird nun eine lokale Festivität in Çanakkale, inklusive einem Reenactment, mit einer US-amerikanischen Filmproduktion, die sich an ein internationales Publikum richtete, verglichen.
Der exemplarische Vergleich der lokalen Erinnerungskultur mit der internationalen Filmproduktion bringt hervor, dass die Schlacht am Granikos für die modernen Bewohner der Konfliktlandschaft weitaus mehr Tragweite besitzt, als in der filmischen Repräsentation. Während die Festivitäten in der Region Çanakkale die Schlacht am Granikos identitätsstiftend inszenieren, zeigt die US-amerikanische Filmproduktion ‚Alexander‘, dass die Schlacht am Granikos für die gesamte Geschichte des Alexander als weniger elementar befunden wurde. Die Schlacht taucht im Film nämlich nicht auf. Diese Diskrepanz der Erinnerungskultur deutet auf die Umstrittenheit der Konfliktlandschaft am Granikos hin.